10 Jahre tanzt!-Festival

Tanzen bis die Sohlen qualmen

Was vor zehn Jahren in einer Rosenheimer Diskothek als Geheimtipp begann, wuchs über die Jahre und nach einem Wechsel der Konzertlocation in das Münchner Backstage stetig zu einem der beliebtesten und bestbesuchten Indoor-Festivals der Mittelalter- und Folk-Rock-/Metal-Szene heran. Grund genug, das tanzt!-Jubiläum heuer am 12. November 2016 mit einem besonders hochkarätigen Line-up zu feiern.

 

Die Rolle des Festival-Openers ist in der Regel eine undankbare, sieht man sich doch als Musiker oft einer noch lichten Audienz gegenübergestellt. Kein Problem jedoch für die Newcomer Brachmond aus München. Mit ihren äußerst tanz- und feiertauglichen Mittelalterrocksongs schufen sie unter den bereits anwesenden Gästen eine für diese frühe Uhrzeit (15 Uhr) ordentliche Stimmung. Eigentlich hätte für diesen Tag die Debüt-EP zur Veröffentlichung fertig gestellt sein sollen. Leider klappte dies nicht ganz, was der Laune der neunköpfigen Band aber keinerlei Abbruch tat. Mit dieser stattlichen Anzahl an Musikern auf der Bühne ging es auch optisch ordentlich zur Sache, und mit Basti (ehemals Cordoban der Verspielte bei Saltatio Mortis) und Chewie von Fuchsteufelswild begleiteten noch zusätzlich zwei Gastmusiker die letzten beiden Songs des Sets an Dudelsack und Tuba.

 

Nach und nach füllte sich das Backstage, was Delva zu gute kam. Diese boten im Gegensatz zu Brachmond ruhigen, getragenen, tiefsinnigen und rein akustischen Stoff, was aber erstaunlich gut funktionierte und zu keiner Sekunde Langeweile aufkommen ließ. Sängerin Johanna Krins war der offensichtliche optische und akustische Mittelpunkt und zog mit intensivem, ausdrucksstarkem Gesang in den Bann. Das aus München stammende Trio bot so ein willkommenes Entspannungsprogramm als Vorbereitung auf kommende sportliche Höchstleistungen, die die folgenden Formationen von ihrem Publikum abverlangen sollten.

 

Nachtgeschrei_ArtikelNachtgeschrei hatten eine längere Auftrittspause hinter sich, die sie für die Produktion ihres an diesem Abend angekündigten, Anfang 2017 erscheinenden neuen Albums "Tiefenrausch" genutzt hatten. Entsprechend hoch motiviert starteten sie mit dem Doppelpack "Eden" und "Sirene" sowie mit Vollgas in ihr 50-minütiges Set und gönnten dem Münchner Publikum in der ihnen zur Verfügung stehenden Zeit keine Verschnaufpause. Die Frankfurter hatten sichtlich Bock auf Bühne und übertrugen diese Energie mit Leichtigkeit im gesamten Raum. Der Fokus der Songauswahl lag beim momentan noch aktuellen Album "Staub und Schatten" von 2015, doch auch der ein oder andere Nachtgeschrei-Klassiker kam zum Zuge. Es bleibt zu hoffen, dass die Hessen es schaffen, ihre live freigesetzte Energie auch auf dem neuen Album einzufangen.


Versengold_Artikel

Versengold zählen zu den ambitioniertesten aufstrebenden Bands der Szene und gelten musikalisch wie textlich als Garanten für höchste Qualität. Kommen sie auf Tonkonserve aufgrund ihrer rein akustischen Ausrichtung oft recht gediegen rüber, entfachten sie auf den Brettern, die die Welt bedeuten, ihr wahres Partypotential, so dass das Publikum sofort von null auf 100 schaltete und nahezu jeden Song abfeierte. Auch hier strahlte die pure Spielfreude direkt ins Aufitorium; die Bremer gingen offensiv auf ihre Fans ein, und Fiddler Honza performte wie immer mit einem Hauch von Wahnsinn in Spiel und Mimik. Hits wie der Opener "Versengold", "Hoch die Krüge", "Wem? Uns!" (mit obligatorischem "Uns"-Mitbrüllteil), "Kein Trinklied", "Drey Weyber" oder "Ich und ein Fass voller Wein" ließen keine Wünsche offen und gaben die thematische Marschrichtung des Abends vor. Sollte jemand im Raum gewesen sein, der bisher noch nichts von Versengold gehört hatte, dürfte an diesem Abend umfassend aufgeklärt und zum Fan bekehrt worden sein. Reaktionen einiger Zuschauer nach dem Auftritt wie "Junge, Junge, was war das denn?!" unterstreichen diese These und die Headliner-Qualitäten des Septetts aus dem Norden.

 

Maego-De-Oz_ArtikelNatürlich war an dieser Stelle noch lange kein Ende in Sicht. Leider bremsten technische Probleme den ansonsten bislang reibungslosen und planmäßig pünktlichen Ablauf des Festivals aus, und wie schon im Vorjahr Folkstone aus Italien erwischte es ausgerechnet die Band mit dem weitesten Anreiseweg. Mägo De Oz waren extra für diesen Abend von Spanien nach München gepilgert und starteten mit 20-minütiger Verspätung umso energiegeladener und furioser. Der Kontrast zwischen Versengolds akustischem Folk und dem doublebasslastigen Powermetal von Mägo De Oz schien im ersten Moment etwas überfordernd, zumal sich zusätzlich zu diesem Soundgewitter insgesamt neun Musiker auf der Bühne versammelten. Doch spätestens beim dritten Song hatte sich auch der letzte Zuschauer akklimatisiert und empfand wohliges Vergnügen bei den ausschließlich spanischsprachigen Hymnen der in ihrer Heimat als Superstars gehandelten Combo. Sängerin Patricia Tapias stach besonders durch Hyperaktivität und Stimmgewalt heraus, der Rest der Truppe hatte Spaß in den Backen und genoss sichtlich die nach wie vor hervorragende Stimmung im Backstage.

 

Vroudenspil_ArtikelIrgendwie schaffte es die Technikercrew, die verloren gegangenen 20 Minuten nahezu einzuholen, indem sie die Umbaupause vor dem Auftritt der Stammgäste des tanzt!-Festivals, Vroudenspil, auf etwa 15 Minuten verkürzte und so für überraschte Gesichter sorgte, als plötzlich das Intro zur Show der Münchner erklang. Wieder voll im Zeitplan spielte sich die Piratencrew um Kapitän Ratz von der Planke entsprechend entspannt und gut gelaunt durch ihr einstündiges Set. Das Publikum honorierte die dargebotenen Hits mit der Teilnahme an allerlei Schabernack, imitierte das Meer und seine Wellen, tanzte bei der wall of folk in zwei Hälften geteilt gegeneinander und feierte ihre Helden gebührend. Für einen kleinen Stimmungsdämpfer sorgte Sänger Ratz von der Planke mit seiner Ankündigung, Vroudenspil zum Ende des Jahres aus beruflichen Gründen zu verlassen. Verständlicherweise erntete er für diese Ansage vereinzelte enttäuschte Buh-Rufe seitens der Fans, versprach aber, dass es auf jeden Fall mit der Band weiter geht. Da dies sein letzter Auftritt in München war, verabschiedete er sich mit seinen drei Lieblingssongs "Meute toter Narren", "Plankentango" und "Kurs aufs Leben" von seinen Anhängern.

 

Subway-To-Sally_Ally The FiddleMit Subway To Sally gelang es den Machern des tanzt!-Festivals, zum 10-jährigen Jubiläum ein echtes Szenenschwergewicht als Headliner zu verpflichten, und München dankte es mit der Mobilisierung der letzten Kräfte. Die Potsdamer boten einen anderthalbstündigen, üppigen Querschnitt durch ihre Diskografie und überraschten mit Klassikern wie "Sag dem Teufel“, "Mephisto“ oder "Knochenschiff". Zwar gab es eine professionelle und routinierte Show zu sehen, und spieltechnisch sind die Musiker um Frontmann Eric Fish über alle Zweifel erhaben, jedoch fehlte etwas die Leidenschaft und die Energie der frühen Tage. Dies tat der nach wie vor prächtigen Atmosphäre auch zu später Stunde nicht den geringsten Abbruch. Die Menge feierte und tanzte scheinbar immer noch schmerzfrei, und selbst die zahlreichen Stimmen bei "Eisblumen" zeigten keinerlei Ermüdungserscheinungen. Eric Fish gönnte sich eine Runde Crowdsurfing, bevor das Publikum noch vor der Zugabe lautstark "Julia und die Räuber" forderte. Dieser Wunsch blieb nicht unerfüllt, so dass ein letztes Mal die Möglichkeit bestand, sich endgültig auszupowern.

 

Sieben Bands hinterließen ein erschöpftes, aber durchweg zufriedenes Publikum und gestalteten einen höchst würdigen Rahmen, um 10 Jahre tanzt!-Festival zu feiern. Spannend bleibt die Frage nach dem Line-up im nächsten Jahr, worüber sich die Veranstalter aber erst Anfang 2017 äußern wollen. Gesichert scheint jedoch, dass das elfte tanzt!-Festival wieder am gleichen Ort stattfinden soll.

 

Text und Fotos: Matthias Czop

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